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Generation Zombie (II)

Am Dienstag wollte ich zeigen, dass der Zombiestatus eine Versuchung des Internets ist: Eine Art Idealzustand, der eintreten würde, falls man seinen gesamten Zweifel in die Cloud auslagern könnte. Wir hätten so durch das Netz endlich einen Weg gefunden, uns der nervenden Gedanken zu entledigen – uns von ihnen zu distanzieren. Ein schöner Gedanke. Das Problem: Wir würden uns damit selbst abschaffen. Ohne den Zweifel sind wir eben keine Menschen mehr, sondern Zombies.

Klingt abstrakt. Ich glaube aber, dass der Versuch seine eigene Negativität quasi auszulagern, eine große Versuchung des Internets ist und eine große Suchtwirkung entwickelt. Mit diesem Modell könnte man auch erklären, warum es durch das Internet tatsächlich einfacher geworden ist, alleine zu sein, und damit zumindest die These 26 von Douglas Couplands großartigem Pessimist’s Guide To The Next Ten Years (“Being alone will become easier”) stützen: Es wird einfacher, weil meine Gedanken eben nicht mehr in meinem Kopf, sondern irgendwo da draußen sind. Zumindest solange der Computer oder das Smartphone an ist.

Die Gefahr dabei ist, dass unsere Gedanken – da sie kaum praktische Wirkungsmöglichkeit haben und Probleme nicht gelöst werden – sich nur selbst erhalten. Und Hysterie repeats itself. Zur Veranschaulichung greife ich auf die düstere Prophezeiung von Odysseus 31 zurück, eine Trickserie aus den 80ern. Das Intro beschreibt diesen Zustand so: “Von nun an werdet ihr in einer unbekannten Welt herumirren, und bis zum Eintritt in das Reich des Hades werden eure Körper starr sein.” – Das ist die dunkle Seite des Internet-Zombies. Aber ich glaube, man kann sie nachvollziehen. Zumindest ich erwischen mich schon dabei, wie ich teilweise stundenlang wie paralysiert auf einen Bildschirm starre. Ohne danach zu wissen, was ich eigentlich gemacht habe.

Ich weiß, der Zombie an sich eignet sich hervorragend als Projektionsfläche. Aber es geht hier ja um die Frage, warum der Zombie gerade jetzt Mainstream geworden ist. Er hat sein Nischendasein längst aufgegeben, die Vampire der vergangenen Jahre abgelöst, und ist ein Aushängeschild der Popkultur geworden. Das liegt auch daran, dass der Zombie eine politische Version hat. Er verkörpert nicht die unerreichbare Erlösung vom Zweifel, der wir uns über das Netz anzunähern versuchen – er ist gleichzeitig ein politischer Platzhalter. In einem Beitrag des Global Sociology Blog wurde das vor kurzem aufgeschlüsselt: Der Zombie verkörpert demnach die Angst vor einem Aufstand der Massen, gerade in Zeiten der Krise:

„Zombies as a horror staple are the result of some unfathomable biological or supernatural crisis that cannot be reversed. They are mindless. They are faceless. They are ugly. And they want to invade your home and feast on your flesh. If this does not work as an allegory for bourgeois attitudes to and fears of the working class, I don’t know what does.“

In der Regel macht sich in diesem Genre des Katastrophenfilms nun ein einsamer Held auf den Weg, die Welt zu retten und eine neue/alte Ordnung wiederherzustellen (bestes Beispiel hierfür: die allseits beliebte Zombieserie „The Walking Dead“):

„So, white, de-classed straight men get to reclaim their patriarchal privilege once “unnatural” and illegitimate social norms that emasculated them (and led to collective disaster) have been eliminated. The responsible father and husband then steps in to restore the “natural” order, based on the patriarchal family, willing to sacrifice himself for his family.“

Das Zombieproblem scheint noch beherrschbar. Falls nicht, dann kann man immer noch wegrennen. Vorausgesetzt man hat das richtige Produkt gekauft:

Update: Die New York Times zum Thema – My Zombie, Myself: Why Modern Life Feels Rather Undead

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