„Was soll das schon sein, dieses Fernsehen?“, monologisiert ein Bewohner des „Big Brother“-Containers in seinem Sessel. „Das Fernsehen ist doch nur ein riesiger fetter Pfeil, der von den Problemen wegzeigt.“

Es ist die erste Szene der Serie „Dead Set“ aus dem Jahr 2008. In ihr macht der Autor Charlie Brooker aus der Reality-Show „Big Brother“ kurzerhand einen Zombiefilm – und legt so besonders drastisch das Grundmuster all seiner Mediendystopien offen. Weder der Produzent noch eine kreischende Horde Menschen lassen in „Dead Set“ vom Spektakel im Container und bleiben auf Sendung, als längst eine mysteriöse Welle der Gewalt durchs Land zieht. Als Untote fast das gesamte Set zerreißen, wird deutlich, dass alle Probleme, von denen das Fernsehen beständig abgelenkt hat, sich irgendwann nicht mehr ignorieren lassen. Je länger man sie ausblendet, desto größer werden sie.

Charlie Brooker ist einer der bekanntesten Medienkommentatoren Englands. Er hat den „Rant“ salonfähig gemacht, lange bevor er hierzulande Einzug in die ersten Blogs fand. Seit dreizehn Jahren nimmt er in Kolumnen für den „Guardian“ auseinander, was über die Mattscheibe flackert. In seiner Show – zunächst auf BBC 4 („Screenwipe“, „Newswipe“) mittlerweile auf BBC 2 („Weekly Wipe“) – hat er es auf alles abgesehen, was unter dem Label „News“ die Welt erklären soll.

Das Fernsehen im Spiegel

Für Brooker haben diese „News“ mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. Sie erscheinen ihm als groteske Reality-Show. In „Newswipe“ hat er ihre Dramaturgie untersucht, die Sentimentalität nach dem Tod Dianas, die sensationslüsterne Live-Berichterstattung, die kumpelhaften Moderatoren. Brooker ist der Chronist eines Mediensystems, das sein Publikum für so stumpf hält, dass jede Botschaft nur emotionalisiert vermittelt werden kann.

Gegen diesen Overkill hilft nur die erste Regel des Zombie-Films: Auf den Kopf zielen! Man darf Brookers zweite große Fernsehproduktion „Black Mirror“ ruhig einzigartig nennen: Die einzelnen Episoden verbindet keine fortlaufende Geschichte, es gibt keine wiederkehrenden Schauspieler und somit keinerlei Identifikationspotential. Die einzelnen Folgen verbindet nur das selbe Thema. „Black Mirror“ – das ist der schwarze Schatten des Gesichts, das sich im Smartphones oder Tablet spiegelt. Die Episoden zeigten, schrieb Brooker einmal, wohin sich unsere Mediengesellschaft entwickelt, wenn die Menschen nur kurz unaufmerksam sind. „Und wenn wir eine Sache über die Menschheit wissen, dann, dass sie in aller Regel unaufmerksam ist.“

Zu Beginn der einzelnen Episoden folgt man leicht irritiert einer Handlung, die manchmal in der Gegenwart spielt, manchmal in der nahen Zukunft, bis man ahnt, wohin es dieses Mal führt. Dann wird alles noch viel schlimmer. In einer Folge haben die Menschen einen implantierten Chip im Kopf, der alles Gesehene automatisch archiviert und wiedergeben kann. Auf dem Fernseher schaut man sich dann gemeinsam an, wie das Bewerbungsgespräch gelaufen ist, oder scannt das Erlebte nach Vertrauensbrüchen. Der Schauspieler Robert Downey Jr. („Iron Man“) hat schon angekündigt, aus dieser Idee einen Kinofilm machen zu wollen.

Verlernt zu handeln

In einer anderen Episode wird eine Frau quälend lange von maskierten Menschen durch die Stadt gejagt, immer begleitet von Passanten mit erhobenen Smartphones. So kann es kommen, wenn Menschen nur noch Chronisten des Geschehens sind.

Auch wenn die Auflösung dieser Episode etwas konstruiert ist, und die meisten entlang einer scheiternden Männlein-Weiblein-Beziehung erzählt werden. Selten hat eine Stunde Fernsehen so nachhaltig verstört. „Black Mirror“ ist keine plumpe Technikkritik sondern zeigt, dass Kommunikation zwischen Menschen dann gescheitert ist, wenn sie keinen Weg mehr finden, ihre Welt zu ändern.

In einer Geschichte, die von der Zukunft der Casting-Gesellschaft handelt, erschöpft sich das Leben der Menschen darin, in einem gigantischen Trainingslager Credit-Punkte zu sammeln, um sich für ein Vorsingen vor drei Juroren zu qualifizieren, die das Versprechen einer besseren Welt verkörpern. Unser Held nimmt den Marsch durch die Institution auf sich und steht mit einer Glasscherbe an der eigenen Kehle auf der Bühne und vor den Augen aller. Doch anstatt der erhofften Betriebsstörung erhält er für seine überzeugende Wutdemonstration eine eigene Fernsehshow, in der er sich nun einmal die Woche über das menschenverachtende System aufregen darf.

(Foto: pasukaru76, CC BY 2.0 / in einer kürzeren Version erschienen in der F.A.Z. vom 12.6.2013)

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